Stadt Wien Podcast

Ein gutes Zuhause: So unterstützt Wien Pflegeeltern (Folge 4 von 5)

Stadt Wien Season 17 Episode 4

Pflegeeltern werden durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe auf ihrem Weg begleitet, erfahren finanzielle und auch psychologische Unterstützung. Barbara Kaufmann und Ingrid Pöschmann sprechen in der vierten Folgen unserer Reihe zu Pflegeeltern über diese verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten für Pflegeeltern und -kinder. 

Gesprächspartner*innen dieser Folge:

  • Justyna Vicovac von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe
  • Hannes Kolar, Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe 

Wenn ihr euch vorstellen könnt, selbst Pflegekinder aufzunehmen oder ihr euch weiter zum Thema informieren wollt, ruft  01/4000-90800 oder besucht wien.gv.at/pflegeeltern .

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[00:00:05 - 00:00:23] Barbara Kaufmann

Herzlich willkommen bei Folge vier des Podcast der Stadt Wien zum Thema Pflegekinder. Mein Name ist Barbara Kaufmann und ich begrüße auch ganz herzlich, wie schon in den Folgen davor, die Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Ingrid Pöschmann.

[00:00:23 - 00:00:32] Ingrid Pöschmann

Vielen Dank für die Begrüßungsworte. Ich freue mich, erneut hier sein zu dürfen und mit Ihnen über die Unterstützung für Pflegekinder zu sprechen.

[00:00:33 - 00:00:57] Barbara Kaufmann

In dieser Folge wollen wir uns eben genauer mit den Unterstützungsmöglichkeiten für Pflegefamilien beschäftigen. Sowohl dem psychologischen als auch dem finanziellen. Und wir schauen uns auch an, wie man Pflegeeltern zur Seite steht, wenn es Konflikte mit der Herkunftsfamilie gibt, aber auch Konflikte mit dem Pflegekind. Egal worum es geht, man wird nicht allein gelassen Frau Pöschmann, oder?

[00:00:57 - 00:01:17] Ingrid Pöschmann

Es ist wichtig zu betonen, dass wir Pflegeeltern nicht im Stich lassen, dass wir Seite an Seite mit ihnen gehen und sie begleiten auch durch Zeiten, die vielleicht mal schwieriger sind in der Gestaltung. Darüber hinaus bieten wir für alle Pflegefamilien individuelle Unterstützungsmöglichkeiten an in der Betreuung des Pflegekindes.

[00:01:18 - 00:01:34] Barbara Kaufmann

Es gibt also viele Arten, wie Pflegeeltern unterstützt werden. Beginnen wir vielleicht mit der finanziellen. Justyna Vicovac, stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Pflegekinder der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, erklärt einmal Grundsätzliches.

[00:01:35 - 00:02:44] Justyna Vicovac

Ja, da gibt es einiges. Zunächst einmal gibt es dieses Pflegekindergeld, das man erhält monatlich nach der Aufnahme des Kindes. Das bewegt sich die zwischen sechshundert und sechshundert neunzig Euro an den Halter gestaffelt, monatlich. Wir haben eine große Palette an Unterstützungsleistungen, auch wenn Kinder einen besonderen Bedarf haben, oder Förderungsmaßnahmen, die das Kind benötigt, die Entwicklungs-Verzögerung aufzuarbeiten. Da haben wir auch finanzielle Aushilfsmöglichkeiten. Oder man kann auch das Pflegekindergeld erhöhen. Bis zu fünfzig Prozent, wo man regulär einfach mehr an Pflegekindergeld erhält.

Zusätzlich dazu gibt es die Möglichkeit für Pflegeeltern sich anstellen zu lassen, über den Verein EFKER Eltern für Kinder Österreichs Und hier gibt es unterschiedliche Modelle, je nach meiner Arbeitssituation. Führt Justyna Vicovac die finanzielle Unterstützung aus.

[00:02:44 - 00:02:52] Barbara Kaufmann

Frau Pöschmann, was gibt es für Anlaufstellen bei der Kinder- und Jugendhilfe, wo man hinkommen kann, wenn man Probleme hat?

[00:02:52 - 00:03:27] Ingrid Pöschmann

Die Sicherstellung des Kindesschutzes gilt für alle Kinder. Wenn Menschen sich Sorgen machen, dass es Kindern und Jugendlichen nicht gut geht, dann bitten wir, dass sie sich mit uns in Kontakt setzen. Speziell für Pflegeeltern haben wir unsere Pflegekinderzentren. Hier gibt es erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die den Pflegeeltern zur Seite stehen und alle Themen rund ums Kind mit ihnen thematisieren, besprechen und auch gute Lösungen finden, wenn etwas mal nicht so gut funktioniert.

[00:03:28 - 00:03:40] Barbara Kaufmann

Es ist ja ein Recht des Pflegekinds, zu seiner Herkunftsfamilie Kontakt zu halten und auch umgekehrt. Wie sieht denn dieser Kontakt in der Praxis genauer aus? Wird man da auch unterstützt?

[00:03:41 - 00:04:25] Ingrid Pöschmann

Den Kontakt zwischen den Pflegekindern und den leiblichen Eltern, der wird durch uns begleitet. Auch der Rahmen wird dementsprechend hier festgelegt. Wenn die Kinder dann Eltern sind, braucht es unsere Begleitung möglicherweise nicht mehr und die Pflegeeltern gestalten dann diese Kontakte gemeinsam mit den leiblichen Eltern und den Pflegekindern. Sobald es hier aber Themen gibt, Probleme gibt, auch mal den Wunsch, dass hier jemand dabei ist von Seiten der Wiener Kinder- und Jugendhilfe Sind wir natürlich da und versuchen gemeinsam mit den Pflegeeltern und dem Pflegekind eine optimale Lösung zu erarbeiten.

[00:04:25 - 00:04:37] Barbara Kaufmann

Viele, die sich vorstellen können, Pflegeeltern zu werden, haben verschiedene Sorgen, wenn es diesen Kontakt zur Herkunftsfamilie geht. Justyna Vicovachat durchaus Verständnis für Ängste.

[00:04:37 - 00:05:45] Justyna Vicovac

Da kann man auch viel gelesen haben oder sich auch theoretisch auseinandergesetzt haben. Aber dann, wie sich das dann anfühlt, wenn ich auf leibliche Eltern treffe bei einem Kontakt treffe, ist es natürlich eine andere Situation. Und hier gibt's natürlich die Möglichkeit eben durch Sozialarbeiterinnen gut unterstützt zu sein, selber zu reflektieren, was ist hilfreich, was brauche ich für mich? Die Sozialarbeiterinnen arbeiten auch mit den Herkunftseltern, wir besprechen die Kontakte vor, was passt gut, was braucht das Kind, ja, was brauchen alle Beteiligten, dass das auch gut funktioniert. Natürlich ist es ein Spannungsverhältnis, ja, die Eltern sind natürlich diejenigen, die einen Verlust erlitten haben, für sie ist es nicht einfach, der Kontakt. Für die Pflegeeltern ist es natürlich auch keine einfache Aufgabe. Ich muss sagen, der Beginn ist oft so, eher von Spannung geprägt, aber im Verlauf, in den meisten Fällen, wenn ein Kennenlernen dann möglich ist und gewisse Absprachen, kann das gut funktionieren und funktioniert in den meisten Fällen auch wirklich gut.

[00:05:45 - 00:06:06] Barbara Kaufmann

Der klinische Psychologe und Gesundheitspsychologe Hannes Kolar leitet den psychologischen Dienst der MA-11 und hat viel Erfahrung mit Schwierigkeiten, die sich aus Kontakten zwischen den Pflegeeltern und der Herkunftsfamilie entwickeln können. Er betont trotzdem noch einmal die Wichtigkeit dieses Kontakts für das Pflegekind.

[00:06:07 - 00:07:30] Hannes Kolar

Generell kann man sagen, dass Kontakte zu den leiblichen Eltern sehr wichtig sind, weil man muss seine Wurzeln kennen zu wissen, wohin man wächst oder wer man ist. Ich habe schon das Wort Idealisierung auch angesprochen. Kinder, die gar keinen Bezug zu ihren Eltern haben, die idealisieren dann die leiblichen Eltern im Konflikt mit den Pflegeeltern, sie suchen sie Es ist ein großes Bedürfnis danach, seine Herkunft kennenzulernen. Das heißt, gut ist es eine Art Mittelweg zu finden. Am schönsten ist es, wenn dieser Mittelweg gemeinsam mit den Pflegeeltern gefunden werden kann. Schwierig wird es dann, wenn hier Unstimmigkeiten sind, also wenn Sie sich nicht ganz einig sind. Wenn es leibliche Eltern mehr Kontakte wollen, das vielleicht noch gerichtlich einfordern, die Pflegeeltern aber die Belastung der Kinder kennen, sie schützen wollen Da kann sich ein Konflikt doch eskalieren.

Da ist es ganz wichtig, dass alle Parteien Beratung in Anspruch nehmen und dass man immer das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt rückt. Und schaut, wie können wir diese Kontakte so gestalten, dass die Kinder her wohlbehütet von allen Seiten das erleben dürfen.

[00:07:30 - 00:07:38] Barbara Kaufmann

Frau Pöschmann, was erfahren die Herkunftseltern über die Pflegeeltern? Welche Informationen bekommen sie?

[00:07:38 - 00:08:10] Ingrid Pöschmann

Also die Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern ist für uns von großer Bedeutung egal wie schwierig eine Situation ist. Wir versuchen immer in Kooperation zu bleiben im Sinne des Kindes. Die leiblichen Eltern haben natürlich ein Informationsrecht. Sie erfahren alles rund die Entwicklung ihres Kindes und auch die Situation in der Pflegefamilie. Wir geben hier aber nicht Adressen bekannt, sodass hier auch der Schutz der Pflegeeltern gewährleistet sein kann.

[00:08:10 - 00:08:29] Barbara Kaufmann

Dass die Kontakte mit der Herkunftsfamilie nicht immer einfach sind für das Kind, haben wir schon gehört. Aber was sollen Pflegeeltern machen, wenn sie bemerken, dass sie das Kind sehr belasten? Justyna Vicovac erklärt, wie die Wiener Kinder- und Jugendhilfe darauf reagieren kann.

[00:08:29 - 00:09:10] Justyna Vicovac

Ich muss natürlich schauen, was ist der Hintergrund? Warum fühlt sich das Kind unwohl bei diesem Kontakt? Es ist durcheinander, weil irgendeine Rahmenbedingung nicht passt durch etwas das Kind irritiert ist. Wir haben die Möglichkeit, auch hier Psychologie beizuziehen, eine Integrationsbeobachtung zu machen und sich das genauer anzuschauen. Was ist der Hintergrund? Sind es Ängste, sind es irgendwelche Triggerfaktoren, die das Kind irritieren? Das schauen wir uns dann an und schauen, welche Lösungen es da gibt.

Vielleicht braucht es eine Veränderung der Kontaktsituation oder eine Reduzierung oder andere Rahmenbedingungen, die dann für das Kind passen.

[00:09:10 - 00:09:19] Barbara Kaufmann

Was aber, wenn das Kind den Kontakt mit der Herkunftsfamilie eines Tages verweigert? Auch damit hat Justyna Vicovac Erfahrung.

[00:09:19 - 00:10:10] Justyna Vicovac

Wir schauen uns die Hintergründe an, natürlich haben grundsätzlich die Eltern das Recht, das Kind zu sehen, das ist gesetzlich auch so vorgegeben. Erstens haben wir gesetzlich vorgegeben, andererseits gibt es natürlich auch Beschlüsse, die wir umsetzen müssen, wo Kontakte geregelt sind. Wenn das Kind das verweigert, dann muss man sich den Hintergrund anschauen und schauen, dass der Kontakt fürs Kind ja keine Belastung. Das soll ja etwas sein, was dem Kindeswohl entspricht, das heißt, wenn das Kind zeigt, er möchte nicht, dann gibt's einen Hintergrund und das müssen wir uns anschauen, was das ist und wie wir da das Kind unterstützen. Es gibt auch die Möglichkeit Kontakte auszusetzen, wenn das gar nicht fürs Kindeswohl passend Wir schauen uns den Hintergrund an und schauen, was die beste Möglichkeit ist, das Kind zu unterstützen.

[00:10:11 - 00:10:20] Barbara Kaufmann

Frau Pöschmann, was mache ich generell, wenn ich den Eindruck habe, mein Pflegekind braucht gesundheitliche oder psychologische Betreuung?

[00:10:21 - 00:11:06] Ingrid Pöschmann

Die Kolleginnen im Pflegekinderzentrum sind für die Pflegeeltern da. Wenn es Fragen gibt rund ums Kind, dann werden die Kolleginnen hier den Pflegeeltern zur Seite stehen und gemeinsam überlegen, welche Unterstützung ist jetzt notwendig? Was braucht es, dass hier der Sand aus dem Getriebe wiederkommt und hier das Kind alles was es zu einer positiven Entwicklung benötigt, auch bekommt. Das sind Therapien, das können auch Beratungen sein im Bereich der Erziehung, aber auch Unterstützung zu Hause in der Familie, gerade für Kinder mit Behinderungen gibt es da auch eine Möglichkeit, dass jemand in die Familie kommt und hier den Familien zur Seite steht.

[00:11:06 - 00:11:20] Barbara Kaufmann

Was wir es noch gar nicht angesprochen haben, was aber durchaus vorkommen kann, dass Pflegeeltern sich überfordert fühlen können. Vielleicht aber das Gefühl haben, sie müssen das jetzt schaffen, aber es geht nicht mehr. Was sollen sie denn tun, Frau Pöschmann?

[00:11:21 - 00:11:54] Ingrid Pöschmann

Die Betreuung eines Kindes kann sehr herausfordernd sein. Jede und jeder, der eigene Kinder hat, weiß das. Die Kolleginnen im Pflegekinderzentrum sind für unsere Pflegeeltern da und beraten in allen Situationen rund ums Kind. Auch wenn es schwierig wird, sind sie da, den Eltern hier auch einen Weg zu zeigen, mit ihnen gemeinsam Lösungen zu finden, die hier ein gemeinsames Miteinander wieder möglich machen.

[00:11:54 - 00:12:00] Barbara Kaufmann

Auch Justyna Vicovac stellt eine Reihe von Hilfsmöglichkeiten für Pflegeeltern vor.

[00:12:00 - 00:12:30] Justyna Vicovac

Wir haben eben das Pflegeeltern Coaching für Pflegeeltern, die sich da mit dem Psycholog*innen austauschen können. Was ist hilfreich, wie kann ich Konflikte bearbeiten? Wir haben auch eine intensive Form der mobilen Arbeit mit Familien, wo eben Betreuer, Sozialpädagoginnen nach Hause kommen können und hier sowohl mit dem Kind als auch mit den Pflegeeltern arbeiten können oder gemeinsame Gespräche anbieten können. Vielleicht Schulgespräche auch gemeinsam machen und hier auch unterstützen.

[00:12:31 - 00:12:42] Barbara Kaufmann

Gerade in der Pubertät kann es vermehrt zu Konflikten zwischen Pflegeeltern und Pflegekind kommen, erklärt Hannes Kolar. Er spricht den Pflegeeltern aber auch Mut zu.

[00:12:43 - 00:13:30] Hannes Kolar

Pflegekinder haben eine viel komplexere Identitätsfindung als leibliche Kinder, weil sie einfach zwei Familien haben. Das ist der Kern ihres Pflegekindseins. Und diese Frage der Identität ist eben im Alter der Pubertät, das stehen Sie sich. Und es kann hier zur Suche nach der Ursprungfamilie kommen, wenn wenig Kontakt da war, zum Beispiel Immer wieder sehen wir Idealisierungen der leiblichen Eltern, wenn sie gar keinen Kontakt hatten Immer wieder kommen dann Pflegeeltern zu mir, die es dann als ein Scheitern empfinden Und das ist ganz wichtig zu sagen das ist kein Scheitern solange sie in Kontakt mit dem Pflegekind bleiben. Es ist eine Entwicklungsphase.

[00:13:31 - 00:13:40] Barbara Kaufmann

Nicht nur für die Pflegeeltern gibt es Unterstützungsangebote, auch Pflegekinder, die bereits achtzehn Jahre alt sind, werden nicht im Stich gelassen.

[00:13:40 - 00:14:28] Justyna Vicovac

Was es noch besonders gibt für die jungen Erwachsenen mit achtzehn, die im Rahmen der vollen Erziehung von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe entweder bei Pflegeeltern oder in Wohngemeinschaften untergebracht waren. Es gibt eine Möglichkeit von Beratungsstunden, die kostenlos in Anspruch genommen werden. Im Moment gibt es eben fünfundvierzig so Beratungsstunden, die angeboten werden, junge Erwachsene zu beraten zu den Themen Wohnsituation, finanzielle Situation, alles rund um Beruf. Ja, also da können sich auch junge Erwachsene, unabhängig von Pflegeeltern oder von der Wiener Kino und Jugendhilfe, Beratung holen und da gute Unterstützung kriegen.

[00:14:30 - 00:14:57] Barbara Kaufmann

Sowohl Pflegeeltern als auch Pflegekinder werden also nicht alleingelassen mit ihren Ängsten und Sorgen. Das war die vierte Folge des Podcast der Stadt Wien zum Thema Pflegekinder. Ich bedanke mich wie immer bei Ingrid Pöschmann für ihre Expertise. Vielen Dank für die Einladung. Wir bedanken uns auch bei Justyna Vicovac und Hannes Kohler für ihre Unterstützung in dieser Folge.